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Nächtebuch 10.11.08 ![]() von Hunting aus der Kategorie Freier Text - Persönliches - Tagebücher |
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Montag, 10.11.2008, 02.00 Uhr Normal 0 21 false false false MicrosoftInternetExplorer4 /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman"; mso-ansi-language:#0400; mso-fareast-language:#0400; mso-bidi-language:#0400;} SEQ CHAPTER h r 1Nächte sind spannender. Wenn das Universum den Dimmer betätigt, schärfensich meine Sinne. Im Chat oder in der Bar, zur Seelenöffnung bedarf es wenigerAufwand, weniger Kniffe (Pfarrer sollten ihre Beichtstunden um Mitternachtabhalten), die therapeutischen Fähigkeiten wachsen, ebenso die poetischen. Manmerkt's auch an den Säufern, tagsüber oft unerträglich selbstmitleidig (odergut getarnt), werden sie bei Sternenlicht zu Philosophen. Und die Huren habennatürlich auch Konjunktur, wenn die Sensibelchen und die Machos sich zu ihnenwagen. Ichbin sicher, tagsüber wird mehr gelogen. Die Nacht macht intim, vertrauensselig,und das Pils oder der Montepulciano tun ihr übriges. EinVier-Stunden-Telefonat, bei dem man sich als Telefonseelsorger für die Dame inder Krise anbietet, ist in der Nacht etwas anderes als bei Tageslicht, selbstwenn man genau dieselben Worte austauscht. Die Masken fallen leichter, dieSchleier auch, man sieht die Leiber und die Seelen nackt. Wie Gott einen schuf.Oder wie er einen heimholt. Zurück ins warme Dunkel, in den Schatten. Und bis dahin irren sie, die Herzen. Irren von hier nachda, irren, wenn sie glauben, endlich angekommen zu sein. Die Liebe, einRastplatz für ein Weile; ein Eden auf Zeit. Aber man glaubt dran, so fest, wieman an keine Religion glauben könnte. Ja, zu diesem Menschen gehöre ich, ichfalle, sagt sie, fühlt sie, und er fängt mich auf. Ich bin am Boden, sagt er, fühlter, und sie baut mich wieder auf. Was sind da alle Verletzungen, alle Kriege, alle Schmerzen dieser Welt, wenn einem die Sterne leuchten. Wenigstens in solchen Nächtenist man unsterblich, atmet ihre, seine Haut, könnte innerlich heulen vor Glückund alles ist, wie es sein soll. Man sieht, dass es gut ist, und aus Morgen undAbend ward wieder ein Tag. Langsam schläft man ein, den Geschmack seiner, ihrerZunge noch im Kopf. Ein Kalenderblatt fällt. Und die Gestirne kreisen weiterund denken sich ihren Teil. Und hier und da ein einsamer Mensch, der gähnt undsich vornimmt: aber morgen werde ich mehr leben, es muss doch gelingen. Undeine Katze streunt als Schatten im Hof durchs Gebüsch, jagt einer Maus nach.Die Augenlider schließen sich, Morpheus nimmt sich der Träumer an, hier einAlp, jemand fährt hoch, weil der Knochenmann nach ihm greift. Meine Schuld,denkt er, erinnert sich an etwas, das er einem anderen angetan hat, wischt sichden Schweiß von der Stirn. Dort träumt sie von einer leidenschaftlichenUmarmung, von dem einen, der sie erlöst, träumt und denkt: ja. Und eine Turmuhrschlägt drei Mal. In einer Klinik stirbt ein Greis, lautlos, ohne, dass esjemand merkt. Er hatte immer eine flache Atmung, man hätte es nur an denwinzigen Härchen in den Nasenlöchern sehen können, die sich nicht mehr imLuftstrom bewegten. In einem Wohnblock noch ein einziges Fenster mit Licht, dieNachttischlampe eines Jungen, der in ein spannendes Buch vertieft ist.Irgendwann wird auch er müde. Er knipst das Licht aus. Das Fenster bleibtoffen, es ist mild. Wie gedämpft von fern die Geräuschkulisse vereinzelterAutos noch. Er spürt und riecht das weiche Kissen. Lächelt. Heute nacht ist erunschuldig. Unddie Katze nagt an ihrer Maus, das Vier-Stunden-Telefonat ist zu Ende - sie hatsich bei ihrem Freund ausgeheult, ja, sagt sie, jetzt ist es wieder besser, undverabschiedet sich mit einem Kuss auf die Muschel. Ein Säufer redet noch mitsich selbst, sieht, wie die Sensiblen und die Machos aus dem Puff kommen. Undim Osten die erste Andeutung des Morgenrots. Bald werden die Leute wiederarbeitsam, bald setzen sie wieder ihre Masken auf, schlüpfen in ihre Rollen,tun ihre Pflicht. Nicht mehr lange. Aber jetzt, bevor der erste Vogel wiedersein Lied zwitschert, ist es noch nicht soweit. Noch sind die Seelenverwundbar, noch träumen sie, noch sehnen sie sich. |
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