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Entscheidungen Eigenwerk
von kasselklaus aus der Kategorie Geschichte - Verrückt, Absurd, Surreal

Kurzgeschichten aus 30 Jahren
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Erstellt:    12.10.2008 09:40
Geändert: 14.10.2008 20:16
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"Gehen sie bitte nach links." Der Mann in Uniform, der vor dem Haus stand und den ich gefragt hatte, wo der Test stattfinden sollte, deutete auf die linke Eingangstür. Eigentlich hätte ich lieber eine der anderen Türen benutzen wollen. Sie hatten die modernere Farbgestaltung. Aber ich fügte mich der Anweisung. Mir fiel auf, daß die anderen Leute, die ebenso wie ich das Gebäude betreten wollten, angewiesen wurden, die anderen Türen zu benutzen.

Mir wurde etwas bange zumute. Hoffentlich bedeutete es nichts Schlechtes, daß ich die linke Tür zu benutzen hatte. Schließlich wollte ich nicht auffallen.

Ich hatte die Eingangstür erreicht. Die beiden Türflügel öffneten sich automatisch, geräuschlos glitten sie zur Seite. Ich blieb stehen und blickte nach rechts. Dort gingen gerade einige Leute durch die danebenliegende Tür. Vielleicht sollte ich doch einfach diese Tür benutzen. Verstohlen schaute ich mich nach dem Uniformierten um - und bemerkte, daß dieser mich aufmerksam beobachtete. Das war natürlich sehr unangenehm. Also betrat ich nun doch das Gebäude durch die linke Tür.

Ich ging einen breiten, türlosen Flur entlang, der in das Innere des Gebäudes zu führen schien. In regelmäßigen Abständen hingen Bilder an den Wänden. Da ich glaubte, genügend Zeit zu haben, betrachtete ich sie in Ruhe. Sie zeigten Szenen aus der Vergangenheit meines Landes.

Schließlich hatte ich das Ende des Flures erreicht. Dort befanden sich zwei Türen. Einige Meter davor standen unordentlich einige stabil aussehende Holzkästen herum. Sie und die Bilder waren das einzige Mobiliar des Flures.

Vor diesen Türen stand kein Uniformierter, der mir sagte, durch welche Tür ich nun gehen sollte. Ich war etwas verunsichert. Kein Schild verriet, welche Tür ich nun zu benutzen hatte. Ich mußte mich entscheiden; das war alles sehr ungewohnt. Ich drehte mich um und schaute in Richtung Eingang. Vielleicht kam jemand, mit dem ich mich hätte beraten können. Aber es kam niemand.

Meine Aufmerksamkeit wandte sich wieder den Türen zu: Sie unterschieden sich nur durch ihre Farben: Die eine war blau, die andere gelb.

"Sie haben noch 30 Sekunden Zeit, um sich zu entscheiden", sagte plötzlich eine Stimme. Sie kam von oben. Ich blickte hoch und sah an der Decke ein Lochraster, hinter dem sich vermutlich der Lautsprecher befand. Davor entdeckte ich Ritzen in der Decke, die ein Viereck bildeten. Man könnte die Holzkisten wie eine Pyramide aufschichten und dann bequem durch diese Luke steigen, überlegte ich einen Moment. Aber das war natürlich kein erlaubter Weg. Ich wurde nervös. Ich mußte mich jetzt schnell entscheiden. Also dachte nicht weiter darüber nach und ging auf die blaue Tür zu. Sie öffnete sich nicht von selbst, sondern hatte einen Griff: Das war ungewöhnlich. Ich drückte ihn herunter und trat ein.

Ich befand mich in einem kleinen, aber gemütlich eingerichteten Büroraum. Hinter einem Schreibtisch saß ein älterer, sympathisch lächelnder Mann. Er erhob sich, schüttelte mir die Hand und begrüßte mich mit meinem Namen, stellte sich selbst aber nicht vor.

"Nehmen Sie Platz!" forderte er mich auf und wies auf einen bequem aussehenden Ledersessel vor seinem Schreibtisch.

Der Mann vertiefte sich in die Unterlagen, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen.

Ich wartete. Sicher mußte er noch eine wichtige Arbeit erledigen.

Ich betrachtete mir das Zimmer genauer. Links war ein Fenster, durch das trüb die untergehende Sonne schien. Es war sogar geöffnet, die Filtrieranlage war nicht eingeschaltet. An den Wänden hingen Filmposter. Mühsam las ich die aufgedruckten Texte. Aber ich hatte ja Zeit, ich mußte warten.

Der Mann machte nach wie vor keine Anstalten, sich meiner anzunehmen. Er schien sehr konzentriert zu arbeiten, jedenfalls nahm er überhaupt keine Notiz mehr von mir. Das was er tat war vermutlich auch wichtiger als mein Anliegen.

Die Zeit verging.

Draußen wurde es langsam dunkel.

Doch der Mann schaltete das Licht nicht ein. Plötzlich sank sein Kopf nach vorn auf die Schreibtischplatte - er schien eingeschlafen zu sein.

Ich war verunsichert. Was sollte ich machen? Ihn wecken und fragen, was nun passieren sollte? Aber das traute ich mich nicht. Wahrscheinlich konnte er mir sowieso nicht weiterhelfen. Ich überlegte hin und her. Einfach aus dem Zimmer zu gehen, erschien mir auch nicht als besonders gute Lösung. Es war vielleicht auch gar nicht erlaubt.

Aber schließlich entschloß ich mich doch, das Zimmer zu verlassen. Leise ging ich zur Tür, öffnete sie und betrat wieder den mir bekannten Flur.

Nun konnte ich noch die gelbe Tür öffnen.

Ich trat auf die Tür zu, öffnete sie und sah nichts. In dem dahinterliegenden Raum war es vollkommen dunkel. Ich griff zur Seite. Vielleicht war dort ein Lichtschalter angebracht. Doch da war keiner.

"Bitte helfen sie mir!" hörte ich plötzlich eine Stimme aus dem Dunkeln. Eine Stimme, die Hilfe von mir erbat? Ich hatte ein seltsames Gefühl. War das Angst?

Ich überlegte. Sollte ich eintreten? Ich hatte ja ein Ziel. Außerdem wollte jemand meine Hilfe. Aber was würde es mir bringen, wenn ich ihm helfen würde? Ich wollte mein Ziel nicht um jeden Preis erreichen.

"Bitte helfen sie mir!" bat die Stimme noch einmal, diesmal nachdrücklicher.

Unschlüssig stand ich im Türrahmen. Was sollte ich tun?

Die Sekunden verstrichen.

Doch schließlich hatte ich einen Entschluß gefaßt:

"Nein", rief ich und schlug die Tür zu. Ich lief den Flur zurück in Richtung Eingangstür. Hoffentlich öffnete sie sich auch von innen. Ich hatte da Zweifel.

Zum Glück tat sie es.

Vor der Tür empfing mich der Uniformierte.

"Ich habe den Raum, in dem der Test stattfinden sollte, gar nicht erst gefunden!" sagte ich resigniert zu ihm.

Der Mann lachte wissend. "Es gibt keinen derartigen Raum", sagte er, "sie haben den Test nicht bestanden!"

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