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Wie jeden Tag mache ich meine Runden.
Acht Huskys vor dem Schlitten.
Vom Hof aus losgefahren,
entlang der Straße, vorbei am Wasserwerk,
dann den 8 km langen Anstieg bis zur Staumauer.
Ca. 400 Höhenmeter und einige Kurzstops später,
hinter dem Damm dann die kurze aber steile Abfahrt hinunter auf den zugefrorenen Altevaten.
Dann nur noch laufen lassen.
Wolkenloser Himmel.
Sonnig,
wenn es die Sonne über den Horizont schaffen würde.
Aber die habe ich schon seit über zwei Monaten nicht mehr gesehen.
Windstill ist es auch,
und arschkalt.
Was ist es, das so reinigend auf den Geist wirkt?
Ich glaube, die Reduzierung auf das Wesentliche.
Die Hunde und er Schlitten sind die einzigen Farben, die man sehen kann.
Ansonsten gibt es nur Schwarz und gaaaanz viel Weiß.
Steine, Birken und Schnee.
Die Hunde und der Schlitten sind die einzigen Geräusche, die man hören kann.
Außer bei Wind. Wenn der über die Berge rauscht, hört es sich an wie eine Autobahn in der Ferne.
Ich glaube ein Einheimischer würde einen anderen Vergleich gebrauchen.
Die Hunde sind das einzige was man riechen kann.
Bei 20 C Minus riecht man nichts mehr, außer wenn man gerade durch einen Hundefurz fährt.
Das empfindet man dann auch als sehr angenehm.
Die Nase funktioniert noch.
Wow, diese Weite,
Das Ende des Stausees ist ca 50 km entfernt, also nicht zu sehen.
Ich biege nach 5 km links ab und fahre wieder auf das Ufer zu.
Hier ist es flacher und man kann leichter hochfahren.
Die Hälfte der heutigen Tour ist geschafft.
Ich war heute Morgen schon einmal hier,
mit einem anderen Gespann.
Jetzt machen wir erst mal Pause.
Steeeehhh.
Gleichzeitig bremsen,
dann den Schnneeanker in den Boden rammen.
An dieser Stelle mache ich immer eine längere Pause.
Hier habe ich die Möglichkeit den Schlitten zusätzlich an einer Birke zu sichern.
Dazu benutze ich immer die Leine mit dem "Panikkarabiner"
Nun mache ich meine Runde.
Jeder Hund wird einzeln beim Namen genannt und für seine Leistung gelobt.
Körperkontakt ist wichtig,
streicheln,
aber auch das Überprüfen der Pfoten auf Verletzungen.
Wenn ich alle Hunde durch habe und zum Schlitten zurückgehe, sind diese schon wieder heiß,
und wollen weiter.
Yukon, ein rothaariger, scharrt dann schon immer mit den Pfoten,
wie ein Stier.
Dieken, der Mächtigste unter ihnen, wartet auf das Komanndo,
dann leg er sich wie immer spürbar in die Seile.
Ich löse den Panikhaken,
dann den Schneeanker,
dann kann es losgehen.
Scheiße....
der Schneeanker hängt unter einer Eisplatte fest.
Das Seil ist schon auf Zug, ich habe nur eine Chance,
direkt über ihn stehen und mit beiden Händen und Gewalt ziehen.
Ein Ruck, und der Anker ist frei.
Ein Ruck, und alle ziehen an.
Ein Ruck, und der Schlitten zieht ohne mich los.
Ich mache einen Sprung nach vorne,
kann aber den Schlitte nicht mehr erreichen.
Ich ergreife die Sicherheitsleine.
Ein 5m langes dickes Seil mit Knoten, das wir immer hinter dem Schlitten herziehen.
Ich halte es in beiden Händen,
werde auf dem Schnee hinter dem Schlitten hergezogen.
Innerhalb kürzester Zeit fühlen sich meine Hände an wie gefroren,
hab ja keine Handschuhe an,
weil ich gerade bei den Hunden war.
Schnee und Eis spritzen mir ins Gesicht, so dass ich nichts sehe.
Ich zieh mich langsam nach vorne, kann umgreifen.
Dann dieser eine Gedanke, der sich innerhalb von Millisekunden in meinem Kopf aufbläst und für ultrakurze Zeit wahrscheinlich jede meiner Gehirnwindungen bestimmt:
"Das kannst du nicht schaffen!!!"
Dieser eine Gedanke reicht aus und ich lasse tatsächlich los!!!
Ich versuche, noch einmal nachzugreifen,
erreiche das Ende des Seiles mit einer Hand,
aber es gleitet mit aus derselben.
Der Schlitten ist weg.
Ich rapple mich auf, und völlig ungläubig, wie in einem Film, sehe ich, wie das Gespann mit dem Schlitten ohne mich davonfährt.
Wie konnte mir,
mir,
ausgerechnet mir, das passieren.
Meine körperliche Fitness hätte locker ausgereicht mich bis zum Schlitten zu ziehen, und alles wäre gut.
Nun sind die Hunde ohne mich unterwegs und das Ende steht offen.
Natürlich kennen die den Weg nach Hause.
Da werden die auch auf schnellstem Wege hinlaufen.
Aber ohne Fahrer, ohne Bremser?
Es wurden schon Huskys, die den Boden unter den Füßen verloren haben, zu Tode geschleift.
Beim Bergabfahren muss der Schlitten gebremst werden, sonst knallt er der Weeldogs in die Hacken.
Wenn die Leithunde das Gespann nicht in die Länge ziehen, haben die anderen Hunde die Möglichkeit
alte Rechnungen zu begleichen,
denn angeleint kann Keiner ausweichen.
Wie in Trance renn ich, lauf ich, gehe, stolpere, renne wieder, dem Gespann hinterher.
Ungläubig über mein Versagen, schreckliche Bilder vor Augen, jederzeit darauf gefasst hinter einer Wegbiegung oder einer Kuppe ein Chaosknäuel aus Hunden, Seilen und Schlitten zu finden.
Scheiße...Scheiße... Scheiße...
Immer wieder die Selbstvorwürfe und das nicht begreifen können, wie es dazu kam.
Da vorne seh ich etwas.
Der Schlitten, alles ruhig, totenstill, keine Bewegung,
mein Herz rast.
Welcher Anblick erwartet mich gleich?
Die Hunde stehen.
Nanok, der Leithund, schaut mich an, als wollte er sagen: Wo bleibst du Alter? Wir wollen endlich weiter!
Einer der Weeldogs liegt, daneben steht Youkon, also ist es Jakob.
Ich komme hin, er lebt, hat eine kleine Verletzung, einen Biss, aber nichts schlimmes.
Youkon hat sich also über ihn geärgert.
Der große Dieken hat den Schlitten wohl abgefangen, ist aber unverletzt,
Puhh, noch mal Glück gehabt.
Aber so eine kurze Schwäche, .... gefährlich, gefährlich, gefährlich
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