Neue Rolle - neues Stück von JuniMond aus der Kategorie Freier Text - Liebe, Erotik, Partnerschaft |
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Und noch ein bisschen lauter. Schluchzend sitzt du in der Badewanne. Heulst. Mal wieder. Und ich frage natürlich: “Was ist los?“ – will die Antwort aber in Wirklichkeit schon lange nicht mehr hören. Die Worte kommen aus deinem Mund, ich höre zu, - aber wir reden nicht miteinander. Ich bin Gast in deinem Theater. Du versuchst dich wieder mal selbst zu inszenieren: nächster Akt, nächster Aufzug. So sitzt du da vor mir - nackt (was mir schon lange nichts mehr bedeutet). Ich hohle eine Flasche Wein und zwei Gläser, setz mich vor die Wanne. Das Stück kann beginnen. Jetzt weißt du, was du bist: (aus Gründen der Diskretion verschweige ich das hier). Aha. Und zwar sehr genau. Oh. Interessant. Und du erzählst. Hast dir in wenigen Tagen alles aus dieser Szene drauf geschaufelt. Fachbegriffe, Jargon, Gestus, Alles. Als wärst Du schon ein alter Hase aus der Scene. Bezeichnest „die anderen“ als Vanillas (In Ahnlehnung an Vanille-Eis: nichts besonderes, aber das was alle mögen, und was man überall kriegt) du hättest ja erst auch nichts mit dem Begriff anfangen können (so vor zwei- dreihundert Jahren muss das gewesen sein) aber jetzt ist alles anders.. So. Jetzt steht also was Neues auf dem Spielplan. Vor vier Wochen hieß die Inszenierung noch :Hilfe ich bin Polyamorös. Und jetzt das hier. Komödie oder Drama? Aber bei dir ist ja eigentlich alles ein Drama. In Komödien wird nicht ständig geflennt. Wenn, dann ist es unfreiwillig komisch. So wie du vor vier Wochen vor mir saßt und, natürlich wieder unter tränen, berichtetest, wie du dich, dank Internet und Chat, jetzt endlich selbst gefunden hast. Du seiest Polyamorös! Und ich versuche ernst zu bleiben. Eigentlich hätte ich allen Grund sauer zu werden, aber das ist jetzt doch zu komisch. Du bekommst eher den Nobelpreis für theoretische Physik, als das du Polyamorös bist. Du bist überhaupt nicht amourös. Erst recht nicht Poly. Aber wieder hattest Du dir die Rolle in Null Koma Nichts angeeignet. Jargon, Gestus, fast perfekt, als wärst du nie was anderes gewesen. Ich musste mir wirklich auf die Zunge beißen, um nicht lauthals los zu lachen. Eigentlich enttäuscht, sauer und verletzt, dass du mich nicht mehr liebst (nach anderen Maßstäben wohl nie geliebt hast). Aber du bist die beste Therapie. Niemand hilft mir so sehr, über dich hinweg zu kommen, wie du selbst. Neue Bühne- neues Spiel. Früher hab ich das ja nicht gesehen. Hab dir deine Rollen geglaubt. Oder wollte es natürlich auch. Ob radikale Autonome, Feministin, Bezugsperson meiner Kinder, Schwiegertochter … jede Rolle die du gespielt hast, hast du mit Inbrunst gespielt, meistens richtig gut. Auch andere haben dir das abgenommen. Nicht alle. Und keiner so lange wie ich. Einige hatten dich recht schnell durchschaut. Aber nicht ich. Nicht wirklich. Ich mein: Das da was nicht stimmt, hab ich früh gemerkt. An dem Tag, als mir klar wurde, dass jemand der so narzisstisch ist wie du niemals Kinder haben solltest (und dir das auch gesagt habe) hatte ich eigentlich hinter den Vorhang geschaut. Hatte dich gesehen, so wie du wirklich bist, ungeschminkt und ohne Kostüm, aber erschrocken und enttäuscht den Vorhang wieder zugezogen und auf deinen nächsten Auftritt gewartet. Auch eine mittelprächtige Inszenierung war mir lieber als diese schäbige Realität. Und ich hab dich doch geliebt, liebe dich immer noch, in deiner Hilflosigkeit, wie ein kleines Kind, das an die Hand genommen werden muss. „Die braucht jemanden, der ihr zeigt, wo es lang geht“, meinte ein guter Freund einmal. Du meintest, er könnte Recht haben. Sicherlich. Genauso sicher, wie ich nicht der jenige bin, der das tut. Ich hab gleich gesagt: wenn ich jemanden brauche, dem ich zeigen kann wo es lang geht, dann würde ich mir lieber einen Hamster dressieren. Dem kann ich dann zeigen wo es lang geht. Den ganzen Tag lang, wenn ich will. Aber fürs Zusammenleben taugt das ja nu gar nicht. Nicht für mich. Da musst du dir einen anderen suchen. Gut geht es dir dabei nicht. Immer wieder stürzt du in Depressionen ab. Heulst, möchtest resignieren, erzählst von deiner Angst, du könntest irgendwann was Dummes tun. Mit dieser Angst stehst Du aber ziemlich allein da. Keiner glaubt das, auch ich nicht. Letztlich bist du doch viel zu selbstverliebt um deine „Tournee“ zu beenden. Hastest lieber von einer Inszenierung zur nächsten, und dabei von einem Irrtum zum nächsten. Und das kannst du noch jahrelang, jahrzehntelang so weiter machen. Wirklich gefährlich könnte es werden, wenn dir eines Tages die Irrtümer ausgehen. Wenn du in dieses Nichts schaust, das übrig bleibt wenn du alle Masken, alle Rollen, alles gespielte und inszenierte weg lässt. Über dich bin ich hinweg. Kein Zurück, keine Fantasien oder Wünsche, es könnte doch noch mal was werden. Schon allein, weil ich es nicht mehr will. Über dich bin ich hinweg. Nicht über unsere Liebe, nicht über die dreizehn Jahre, nicht über den Menschen, in den ich mich mal langsam aber immer mehr, verliebt habe. Aber über dich – da bin ich hinweg. Diese Inszenierungen haben sich verbraucht. Dreizehn Jahre lang gab es immer das gleiche Stück, die gleiche Regisseurin, gleiche Hauptdarstellerin. Du als Mittelpunkt deines Universums. Du sagtest mal, dass es dir Leid tut, mein Herz gebrochen zu haben. Mir nicht. Es war notwendig. Ich wäre sonst drauf gegangen. Hätte mich noch mehr verkauft, noch mehr von mir aufgegeben. Bis nichts mehr übrig gewesen wäre. Dieses Herz-Brechen war wie von Bord geworfen werden um endlich wieder selbst zu schwimmen, und zwar in eine ganz, ganz andere Richtung. |