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Die Totenbretter Zweck , Sinn u. Bedeutung Fremdwerk
von Cyberdieb aus der Kategorie Freier Text - Glaube, Religion

Heimat -> Heimat 1
verschiedenes
Erstellt:    16.05.2006 19:30
Geändert: 02.12.2007 16:21
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Die Totenbretter


Mit einem Leichnam machte man sich früher nur wenig Umstände. Man wickelte ihn nach uralter Sitte in ein Leichentuch, nähte dies zusammen und legte den Toten auf ein Brett, auf dem er zum Grab gebracht und in dasselbe hinuntergelassen wurde. Das Totenbrett wurde zunächst anstelle eines Sarges zwischen zwei Stühle oder auf eine Bank gelegt und so blieb die Leiche im Hause bis zum Begräbnis. Dann wurde die Leiche auf dieser Unterlage festgebunden zum Friedhof gebracht.
Dort ließ man den Toten auf dem Brett ins Grab hinunter, oder schon ihn, die Füße voraus auf dem Brett schief in die Grube, löste die Bänder und zog das Brett wieder heraus, so dass der Leichnam von seiner Unterlage langsam auf den Grabboden rutschte. „ Er hat übers Brettl rutschen müssen „ oder „er ist auf dem Brett gelegen“ waren Redewendungen in alter Zeit. Wenn es dann gar hieß „der wird auch bald übers Brettl rutschen“ dann bedeutete dies, dass er sterbenskrank war und man mit seinem Tod rechnete. Das Begraben auf dem Brett fand um 1886 noch in abgelegenen Gegenden statt. Im Allgemeinen war der Sarg seit etwas 1870 überall eingeführt.
Dass man selbst Vornehme früher auf diese Art bestattete, zeigt folgender Eintrag:
Bei Öffnung der Kaisergruft im Dom zu Speyer lag Bertha, die unberührt gebliebene Gemahlin Kaiser Heinrich IV. in einen Seidenmantel gehüllt seit dem Jahre ihres Todes 1087 auf einem einfachen Brett. Der Ursprung des Totenbrettes wird in die Zeit des sechsten- bis achten Jahrhunderts nach der „Lex Baiuwariorum“ angenommen. Die Art, Totenbretter zu beschriften und aufzustellen, war anscheinend im 18. Jahrhundert schon fast überall bekannt.
Die ausgedehnteste Totenbrettergegend umfasst die Oberpfalz und Niederbayern. Besonders in Vohenstrauß, Oberviechtach, Roding, Neunburg v. W., Waldmünchen, Cham, Bad Kötzting, Viechtach oder Deggendorf. Im Böhmischen kamen die Totenbretter nur in den Grenzgebieten zu Bayern vor.
Die Beschaffenheit und Beschaffung des Aufbahrungsbrettes war sehr einfach. Fast in jedem Bauernhaus gibt es einen gewissen Vorrat an unbenützten Brettern. Eines davon wurde zugeschnitten und als Totenbrett verwendet. Bevor das Brett mit dem Toten aus dem haus gebracht wurde, brannte oder zeichnete man drei Kreuze darauf, sowie die Anfangsbuchstaben und die Jahreszahl des Sterbens. Wer kein solches Brett hatte, beauftragte einen Schreiner mit der Beschaffung.
Der Schreiner hobelte das Brett, schnitt es am Kopfende rund aus oder brachte eine Verzierung an. Dann wurde das Brett mehrfach wetterfest eingefärbt, beschriftet, je nach dem Geldbeutel des Auftraggebers. Die Auswahl der Sprüche überließ man dem Maler. War alles so weit fertig, dann nagelte der Schreiner noch ein kleines Schutzdächlein über die Schriftseite, damit sie vor Winde und Wetter besser geschützt seien. Bei den Sprüchen handelt es sich um so genannte Friedhofsreime. Mitunter kommen dabei auch originelle Eintragungen vor. Schade, dass sich nur wenige bis auf unsere Zeit erhalten haben:

Gedenk, o Mensch in allen Dingen
An Tod, Gericht und Ewigkeit.
Und willst den Himmel du erringen,
so sei zum Sterben stets bereit.

Schließlich sind noch Malereien zu erwähnen, die sich auf die Persönlichkeit des Verstorbenen beziehen. In der Oberpfalz scheinen die Totenbretter mit reicher Bemalung sich vorzugsweise auf den Chamer und Waldmünchner Bezirk, in Niederbayern auf Bad Kötzting, Viechtach und Regen zu zeigen. Die uralte Scheu des Volkes mit allem, was mit einem Toten in unmittelbare Berührung kommt, wie dem Totenbrett, wird dadurch dokumentiert, dass Totenbretter fast immer einen Platz außerhalb der Ortschaften erhielten. In der Oberpfalz vertrat das Totenbrett die Stelle eines Grabdenkmals. In Hurkenthal im nahen Böhmerwald lehnten Totenbretter an der Innenseite der Kirchhofmauer, in Runding an der Seelenkapelle im Friedhof. Eine bedeutsame Rolle bei der Unterbringung der Totenbretter spielt der Weg zur Kirche. Wo diese alten Kirchwege fehlten, stelle man die Totenbretter stets an Weggabelungen oder Kreuzungen auf, damit so viele Leute an den Toten erinnert würden und dass auch mehr für ihn gebetet werde. War dann ein Totenbrett herabgefallen, so nahm man an, dass die Arme Seele nun erlöst sei.
Zum Schluss sei noch ein Hinweis zitiert, der 1910 in einer Zeitschrift stand:
„Zartbenervte Stadtmenschen, denen schon eine Friedhofsmauer Gruseln verursacht und ländliche Hahnenfüße, die in stiller Mondnacht die Seelen der Abgeschiedenen um ihre Denkmale (Totenbretter) geistern sehen, mag freilich der Anblick der Totenbretter derartige Gefühle auslösen, dass sie diesen gerne aus dem Weg gehen.“

von Günther Rinck

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